Von etruskischer Herkunft bis zum Morgengrauen „Twilight“
Auf der horizontal Ebene zwischen Pisa und Florenz, jedoch leicht südlich der beiden Städte gelegen, befindet sich Volterra, eine atemberaubende etruskische Stadt die mit historischen Bauten und Naturwunder lockt. Allein die Anreise nach Volterra bietet eine wertvolle Erfahrung, durch die verwinkelten Straßen und die schönsten Landschaften der Toskana hindurch. Wer mit dem Auto anreist – was die beste Art und Weise ist um Volterra zu erreichen – wird von den typischen, rollenden Hügeln der Toskana begrüßt. Diese wurden durch jahrelange Erosion geformt, gehen sanft in einander über und bieten von der Straße aus einen scheinbar endlosen Teppich aus üppiger Natur und bebautem Land.
Volterra liegt auf einer Reihe von Hügeln die kollektiv “Le Balze” genannt werden. Es empfiehlt sich, das Auto auf der Straße stehen zu lassen und zu Fuß einen Spaziergang zu unternehmen, sowie die Stadt zu Fuß zu betreten: das Panorama ist atemberaubend. Es bietet sich nicht nur ein traumhafter Ausblick auf die rollenden Hügel, sondern auch auf die typisch toskanischen Olivenbäume und Zypressen.
Beim Eintritt zu Volterra passiert man das antike etruskische Dorfportal. Eigentlich aber wurde Volterra im April 2013 der Ehrentitel „Stadt“ verliehen. Nicht seiner Einwohnerzahl wegen – welche sich heute auf rund 11 000 Einwohner zählen lässt – sondern aufgrund seines reichen historischen Erbguts.
Volterra war einst deutlich größer, in den Zeiten als die Stadt den Ruhm der nördlichsten Stadt des etruskischen Zwölfstädtebundes trug. Das Museum „Mueso Etrusco Guarnacci“ beherbergt tausende wertvoller Relikte aus dieser Zeit: von Urnen und Schmuck bis hin zu Keramikware und diversen anderen Objekten die in örtlichen Ausgrabungsstätten gefunden wurden. Besonders eindrucksvoll ist hier die „Ombra della sera“ – der Abendschatten – eine längliche Bronzestatue eines Jungen, welche auf das dritte Jahrhundert v.Chr. zurückdatiert wird und außerdem stark den stilisierten Skulpturen des modernen Künstlers Alberto Giacometti ähnelt.
Volterra hat aber noch einiges mehr zu bieten in Bezug auf sein historisches Erbe. Die Stadt wurde 260 v.Chr. von den Römern erobert; aus der römischen Herrschaftsperiode blieb besonders ein bemerkenswerter Zeuge erhalten: das antike römische Theater, dessen Ruinen erst Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckt worden sind.
Weiterreisend in der Zeitgeschichte stößt man auf dem Hauptplatz, der Piazza dei Priori, auf das heutige Rathaus. Das Gebäude, genannt il Palazzo dei Priori, ist das älteste mittelalterliche Gebäude der Stadt. Es stammt aus dem Jahre 1239. Der berühmte Palazzo Vecchio in Florenz wurde nach dem Vorbild dieses Gebäudes erbaut und nach der Eroberung Volterras von den Florentinern im Jahre 1472, fügten diese die entlang der Fassade sichtbaren florentinischen Medaillons hinzu. Doch hat sich der Palazzo dei Priori kaum verändert, obwohl das Gebäude seit gut 750 Jahre konstant in Gebrauch ist. Der Raum in dem sich heute der Stadtrat trifft (Sala del Consiglio – der Saal des Rats) ist für die Öffentlichkeit zugänglich und präsentiert ein Fresko aus dem 14. Jahrhundert: „Annunziazione“, so heißt das von Jacopo di Cione und seinem Bruder entworfene Fresko.
Außerdem sind in Volterra diverse Gebäude aus der Renaissance zu besichtigen, besonders die Festung des Medici und die Kathedrale (Duomo). Letzteres beinhaltet ein Gemälde vom toskanischen Künstler Francesco Caprioani, ein Fresko von Benozzo Gozzli, Kanzel-Platten die von einem Mitglied der Pisano Familie gemeißelt worden sind, sowie ein von Andrea Sansovino geschnitztes Marmor Taufbecken.
Apropos Kunst. Entgehen lassen sollte man sich keineswegs die örtliche Bildergalerie, welche in einem der Renaissance Gebäude der Stadt untergebracht ist. Die gesamte Sammlung ist einen Besuch wert, jedoch sind es die thronende Madonna mit Jesuskind und den Heiligen von Luca Signorelli und die Deposition (1521) von Rosso Fiorentino, die einen Besuch hier unentbehrlich machen.
Volterra wäre alleine des Gemäldes von Rosso Fiorentino wegen einen Besuch wert. Die prächtige Arbeit in ihrem manieristischen Stil, welche den Betrachter mit seiner scheinbaren Modernität zu sich reißt, die Komplexität der Komposition, die lebendige Farben und die auffällige Darstellung der Tragödie…
Die Alabaster Werkstatt der Stadt ist ebenfalls einen Besuch wert. Seit der Zeit der Etrusker wird Alabaster in Volterra in Handarbeit angefertigt, direkt unter der Stadt abgebaut. Der Stein ist weich und Marmor ähnlich, jedoch um einiges formbarer, und eignet sich daher für das Schnitzen und kleine Skulpturen. Auch geschichtlich gesehen ist Alabastar einer der beliebtesten Steine für die handwerkliche Darstellung menschlicher Gesichter. Viele der Relikte im etruskischen Museum sind ebenfalls aus Alabaster angefertigt.
Heutzutage stellt Alabaster nicht mehr einen großer Teil der lokalen Wirtschaft dar, wird jedoch weiterhin im Kunsthandwerk verwendet. Zahlreiche Werkstätten in der Altstadt stehen zur Besichtigung frei und ermöglichen es den Handwerkern bei der Arbeit zuzusehen. Verschiedene Geschäfte verkaufen Alabaster Objekte: die Auswahl reicht von wunderschönen handgefertigten Schachbrettern bis hin zu Gitarren.
Volterra ist eine kleine, charmante Stadt in der es sich nicht zu guter Letzt auch angenehm durch die engen Gassen spazieren lässt.
Die Stadt ist bequem an einem Tag zu besichtigen. Zum Speisen empfehle ich ein örtliches Restaurant, welches ausschließlich handgemachte Pasta und diverse regionale Gerichte bietet. “Osteria La Pace” in Via Don Minzoni, 55 ist eine ausgezeichnete Gastro-Erfahrung. Die Osteria ist freundlich, hat eine gute Auswahl an örtlichen Gerichten zu vernünftigen Preisen und serviert auch Gluten freie Pasta.
Zu guter Letzt möchte ich jedoch noch einmal an die traumhafte Landschaft und Umgebung von Volterra erinnern…